Anton Petz




[...] Anton Petz erkundet vielmehr Bilder, so wie sie den Medien durch Agenturen und Bildjournalisten zur weiteren Propagierung angeboten werden [...]

* 1962 in Graz


Ausstellungs- und Installationsansichten


Publikationen und Texte


Christoph Kivelitz über Anton Petz


Anton Petz ist Maler, durch den Gegenstand seiner Untersuchung gleichzeitig aber auch der Medienkunst zuzuordnen. Sein thematischer Bezugspunkt ist nicht direkt die durch ihn gelebte und wahrgenommene Alltagswelt, Petz erkundet vielmehr Bilder, so wie sie den Medien durch Agenturen und Bildjournalisten zur weiteren Propagierung angeboten werden, um erst in dieser vermittelten Form Bestandteil unserer Lebenswirklichkeit und hierhin wirksam zu werden. Den Bildern, die Petz aufnimmt und verarbeitet, liegt also bereits ein mehrfacher Selektions- und Verwertungsprozess zugrunde.

Norbert Niemann Über ANton Petz


Mediale Ikonen. Über den Maler Anton Petz

Überlegungen zum kunsttheoretischen Stand der Dinge

 


Heinz Schütz über ANton Petz

(Mediale) Fotos malen –  Ein Panoptikum der Macht und Ohnmacht


Die Bilder, die Anton Petz malt, basieren auf fotografischen Vorlagen, die meist als Medienbilder zirkulieren. Von hierher liegt es nahe seine Bilder unter dem Gesichtspunkt der malerischen Transformation zu betrachten: 1. Wie funktionieren mediale Bilder und Fotos? 2. Was geschieht, wenn sie Petz in Malerei übersetzt? Worauf lenkt er die Aufmerksamkeit? 

1.

Malerei wird gewöhnlich mit dem Künstler als dem produzierenden und sich veräußernden Subjekt in Verbindung gebracht, Fotos hingegen scheinen aufgrund der sie generierenden Abbildungsapparatur physikalistisch objektiv die Außenwelt darzustellen. Diese strikte Unterscheidung verkennt, dass der Fotoapparat nicht nur das Fotografierte, sondern auch den Blick des Fotografen dokumentiert, dass die Malerei im 20. Jahrhundert das Subjektive gezielt transzendiert, und, dass durchaus eine Wechselbeziehung zwischen Malerei und Fotografie besteht. Trotzdem prägt die Unterscheidung Subjekt orientierte Malerei versus Objekt orientierte Fotografie bis heute die Wahrnehmung der beiden Bereiche. Es ist so, als ob der Malerei ein Referenzfaktor innewohnt, der über das Gemalte hinaus auf den Maler verweist, während sich die Fotografie, als Lichtabdruck des Realen, unmittelbar auf das Abgebildete bezieht. Die nahezu fetischisierende Insistenz der fotografischen  Referenz überlagert die Tatsache, dass Fotos subjektiv, manipulierbar und inzwischen auch mit digitalen Verfahren vollständig simulierbar sind. Das bedeutet, im Extremfall referieren sie auf ein Abgebildetes, das außerhalb des Fotos nie existierte. Auch die in den Medien kursierenden Fotos gerieren sich so, als ob es um ein außerhalb Liegendes ginge, doch letztlich münden sie in die reine Selbstbezüglichkeit und Selbsterregung des Mediums. Die medialen Fotos lagern sich nicht nur über das Reale, die Realität des medialen Bildes tritt an dessen Stelle. Um medial, sprich: öffentlich zu existieren, wird das Reale zugerichtet, inszeniert und überhaupt erst erzeugt. 

Das mediale Foto konstruiert, enthüllt und verdeckt. Die Aufnahmen etwa, die us-amerikanische Soldaten bei Razzien im Irak zeigen, dokumentieren – offiziell genehmigt – mit welcher Rücksichtslosigkeit und Brutalität in die Wohnungen der Iraker eingedrungen wird. Was das Dokumentierte verdeckt, ist die allenfalls erahnbare Brutalität, die dann herrscht, wenn keine Kamera läuft. Die Demütigung von irakischen Gefangenen auf den Fotos von Abu Ghraib erfolgt im Dienst der fotografischen Inszenierung von Dominanz qua theatral arrangierter Unterwerfung und Folter. Die reale Erniedrigung geschieht hier zum Zweck ihrer inszenierten Steigerung auf der Bühne der Symbole. Das Inszenierte und das Symbolische wiederum entsprechen der Ebene, auf der die Medien optimal funktionieren und wahrgenommen werden. Sobald die Bilder medial zirkulieren, entwickeln sie sich zum selbstreferenziellen Erreger, der für kurze Zeit die Medien erhitzt, um dann rasch verglühend vom nächsten Skandalon abgelöst zu werden. 

Welche Form die selbstreferenzielle Erregung annimmt, wird besonders deutlich bei Nachrichtensendungen und Lifedokumentationen, für die grundsätzlich gilt: Kein gesprochener Text ohne illustrierendes Bild. Nachrichten über die industrielle Produktion werden mit Bildern von Fließbändern unterlegt, Nachrichten über die medizinische Versorgung mit Ärzten im Sprechzimmer, mit operierenden Händen in geöffneten Leibern oder Reagenzgläsern in Labors. Der dokumentarische Wert der Bilder hebt sich auf. Zwischen Text und Bild entsteht eine Art closed circuit, der den Betrachtet absorbiert und kritische Distanznahme verunmöglicht. Die permanente Wiederholung derselben oder äußerst ähnlicher Bilder macht sie zu hochpolitischen Ikonen eines medialen Bildlexikons, zu pikturalen Propositionen, deren Bedeutung bei zunehmendem Referenzverlust wie in einer Gehirnwäsche ständig repetiert und bestätigt wird. 

2.

In seiner jüngsten Malerei wendet sich Anton Petz Ikonen des medialen Bildlexikons zu. Er greift Bilder auf, die in Zeitungen, Illustrierten, Magazinen, im Fernsehen oder im Internet, ihre mediale Omnipräsenz entfalten. Die Bildauswahl, die Petz trifft, eröffnet einen Horizont, in dem sich zentrale Kräfte der globalisierten Gesellschaft spiegeln, unter ihnen, als ökonomischer Fluchtpunkt, die Börse. 

Ganz im Gegensatz zum postmodernen Glaubensbekenntnis mit seiner Verkündigung des Endes aller Ideologien, hat sich in den letzten Jahrzehnten das neoliberale Ideologem durchgesetzt. Es erklärt die Ökonomie, sprich: die Logik der Börse, zum obersten Prinzip. Ihren unmittelbaren medialen Ausdruck findet diese Entwicklung, wenn etwa in den Fernsehnachrichten so, als sei es natürlich und nie anders gewesen, neben den Wetter- der Börsenbericht getreten ist. Abgesehen von lokalen Börsenbildern im regionalen Kontext, haben sich insbesondere die Bilder der New Yorker Börse in das mediale Bildlexikon eingeschrieben. Die zirkulierenden Bilder, die häufig aus derselben Kameraperspektive aufgenommen wurden, erscheinen, selbst wenn sie zu verschiedenen Zeit fotografiert wurden, –  durchaus im Sinne der selbstreferentiellen piktorialen Propositionen – austauschbar. 

Petz malt eine ganze Serie von Bildern der New Yorker Börse nach den in den Medien zirkulierenden Fotos. Er abstrahiert das Dargestellte soweit, dass, ganz im Sinne der zeitlichen Austauschbarkeit, weder der Stand der Börsenkurse erkennbar ist, noch die Gesichter der Börsianer identifizierbar sind. Körperhaltungen und Gesten hingegen gibt er durchaus präzise wieder. So entstehen Börsenbilder von betont lässig und doch angespannt herumstehenden Gruppen und Einzelfiguren, von Männeransammlungen, die dominiert werden von den über ihren Köpfen hängenden Bildschirmen. 

Als Gegenbild zur Börsenmalerei fungiert gewissermaßen Petz´ Rekurs auf die in den letzten Jahren immer häufiger anzutreffenden Bilder von völlig überbesetzten Booten und Schiffen, auf deren Decks sich Menschen dicht an dicht drängen. Die Expansion der Märkte ist das entscheidende Movens, das die Globalisierung vorantreibt. Die Freizügigkeit des Kapitals allerdings geht keineswegs mit menschlicher Freizügigkeit und globaler Wahl des Wohn- und Arbeitsortes einher. Und so antwortet auf die globalisierte Wirtschaft der Strom der illegalen Emigranten, die aus den armen Ländern in die reichen Ländern drängen und dabei, aufgrund der Transportbedingungen und Abwehrmaßen der Wohlstandsländer, immer wieder ihr Leben riskieren. 

Das Panoptikum gesellschaftlicher Macht und Ohnmacht, das Petz zwischen den Polen Börsenalltag und Flüchtlingstransport aufspannt, erweitert er zum einen um Bilder des UN-Sicherheitsrates, eine einst hoffnungsvolle Institution, die zumal in jüngster Zeit, von partikularen, imperialen Interessen auf beschämende Weise unterlaufen wurde, zum anderen um Bilder von Demonstrationen, die auf der Straße eine Gegenöffentlichkeit zur sanktionierten Macht herzustellen bemüht sind. Als Verweis auf den hedonistischen Zeitgeist, der das Wort „fun“ bis zur Bewusstlosigkeit vor sich herträgt, kann das Gemälde “big party“ gelesen werden. „Große Andacht“  greift die neureligiösen Tendenzen der letzten Jahre auf. Bilder wie „Betrachter“ oder „Vernissage“ bringen den Kunst- und Ausstellungsbetrieb ins Spiel, wobei sich von der Vernissage durchaus eine Brücke zu „big party“ und „Börse“ schlagen lässt, liefern Vernissagen doch den Anlass für Miniaturpartys, während sie Kunst nicht zuletzt als Ware und potentielles Spekulationsobjekt zum Kauf anbieten.

Wenn auch nicht alle Bilder, die Petz in jüngerer Zeit malt, auf Medienfotos basieren, so liegen ihnen immer Fotos zugrunde. In Abgrenzung zu historischen Positionen wird Petz´ Ansatz deutlich: In der Geschichte der Malerei, übernimmt das Foto häufig die Rolle einer Skizze, es funktioniert als erster Entwurf oder Erinnerungshilfe, die es erleichtert, ein Motiv ohne direkten Augenschein wiederzugeben. Unmittelbar thematisch wird das Verhältnis von Foto und Malerei im Fotorealismus der 60er/70er Jahre, wobei der Fotorealismus in seinen konzeptuellen Ausprägungen etwa bei Chuck Close trotz realistischer Darstellung zur radikal abstrakten Malerei wird. In der Pop Art Warholscher Prägung werden die als Siebdruck reproduzierten medialen Bilder als Teil der Images produzierenden Konsumindustrie zum Thema.

Für Petz fungiert das Foto weder als Skizze oder Erinnerungshilfe im klassischen Sinn, noch verfolgt er in der malerischen Aneignung der Fotos konzeptuelle Absichten. Es geht ihm weder um die Entdeckung des „Malerischen“ eines Ortes oder die individuelle Darstellung einer Person, noch primär um die ausschließlich mediale Reflexion. Seine Bilder zielen auf eine gesellschaftliche Bedeutungsebene, die in den medialen Bildern in einem doppelten Sinne immer schon transportiert wird. Zum einen sind die in den Medien zirkulierenden Fotos, zumal als Nachrichtenillustration, Teil des Medienmechanismus der Bedeutungen und Weltbilder generiert, zum anderen sind sie bereits so ausgewählt und aufgenommen, dass sie gesellschaftliche Ereignisse fotografisch auf den ikonologischen Punkt bringen. Insofern Petz auf bekannte mediale Bilder zurückgreift eignet ihnen ein Widererkennungseffekt. Da Petz immer die Kameraperspektive mitmalt, bleiben seine Bilder letztlich auch als gemalte Fotos erkennbar. Was geschieht, wenn Petz die medialen Fotos in Malerei übersetzt? 

Wie festgestellt wurde, werden Fotos mit dem Blick  auf die abgebildete Wirklichkeit wahrgenommen und sie geben sich, sobald sie in den Medien zirkulieren, der medialen Selbsterregung hin. Die Übersetzung der Fotos in Malerei hebt sie heraus, macht sie auf neue Weise wahrnehmbar und bringt sie mit der Malerei als Gattung und dem diagnostizierten Subjektbezug in Verbindung. Als Malerei werden die in den Medien mit hoher Geschwindigkeit rotierenden Bilder zum Stillstand gebracht. Ihr massenhaft Reproduktives wird überführt in die Singularität des einzelnen Bildes. Dabei erhält das Foto einen Farbkörper, dem der Betrachter nun gegenübersteht. – Die größeren Formate von Petz messen in der Länge gewöhnlich um die zwei Meter. – Verglichen mit seiner medialen Präsenz entwickelt sich das Foto zum an die Wand gehängten „Denkmal“. –  Der mediale Exzess hangelt sich von Moment zu Moment. Er kennt nur die Gegenwart, er kennt keine Vergangenheit oder Zukunft, sondern nur den Closed Circuit der aufeinander verweisenden Texte und Bilder. – Was im medialen Zusammenhang als nicht mehr wahrgenommen Gewohnheit verschwindet, wird durch die Hängung der Bilder auf nahezu ironische Weise bewusst: Der Aufprall des Heterogenen und Widersprüchlichen. Es tritt insbesondere hervor dadurch, dass Petz Bilder nebeneinander hängt, die auf der Ebene der Farbe und Komposition formal ähnlich sind, aber inhaltlich völlig verschieden. So kombiniert er etwa das rote Partybild mit dem roten Bild der Gefangenen aus Guantánamo, das UN-Bild mit ovalem Tisch vereint er mit dem Bild, auf dem Menschen um einen ovalen Brunnen nach Wasser Schlange stehen.

Sobald die Fotos zu Malerei werden, evozieren sie die Tradition und die Ikonologie der Malerei. Sie reicht, was die Boots- und Schiffsdarstellungen anbelangt, hinein in die Schiffs- und Schiffsbruchikonologie. „big Party“ mit seiner in glühende Farbigkeit getauchte Menschenballung lässt an Höllenstürze denken, aber auch an Immendorfs „Café Deutschland“. Die exotisch verhüllten Gestalten auf dem Bild „Lager“ könnte man auf den ersten Blick mit den im 19. Jahrhundert zelebrierten Orientalismus-Idyllen in Verbindung, bringen, stünde dem nicht das Wissen um die Lagerrealität entgegen.

Als Malerei verweisen die Bilder auf das Künstlersubjekt, zumal dann, wenn sie, wie bei Anton Petz, die Tatsache des Gemaltseins nicht kaschieren, sondern Malspuren und Farbauftrag deutlich hervortreten lassen. Dabei nun ergibt sich etwa in „großes Warten“ ein spezifische Spannung zwischen dem expressiv-ästhetischen Malduktus und dem politischen Skandalon des Dargestellten. Zum einen stellt Petz die dominierenden Rot-Grün-Kontraste in den Dienst der Abbildung –

die Gefangenen von Guantánamo wurden mit leuchtend roten Overalls ihrer Individualität beraubt –, gleichzeitig dient die Szene dem malerisch-expressiven Farbspiel.

Der gestische Duktus von Petz´ Malerei  weist auf das scheinbar intakte Künstlersubjekt. Die in seinen Bildern meist in Gruppen oder größeren Ansammlungen auftauchenden Menschen hingegen sind weitgehend entindividualisiert und ohne erkennbare Gesichter anonymisiert. Nahezu alle Bilder sind aus einer Künstler-Kamera-Perspektive schräg von oben gemalt. Das solchermaßen inthronisierte Subjekt, dessen Blickwinkel der Bildbetrachter übernimmt, schaut aus quasi göttlicher Perspektive auf die Ameisenmenschen, die auf der Schräge der Bildoberfläche balancieren. In „Sommerregen“, dem wohl heitersten Bild der letzten Zeit, richten sie ihre Köpfe, einzeln oder paarweise unter bunten Regenschirmen versammelt, wie um den Blick zu erwidern, in die undefinierte Leere nach oben.