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FRITZ RIEDL - EIN PIONIER

>ZUM 100. GEBURTSTAG<

dauer bis 10. november 2023

Ausstellungsansicht - Fritz Riedl - Zum 100. Geburtstag - Brunnhofer Galerie
Ausstellungsansicht - Fritz Riedl - Zum 100. Geburtstag - Brunnhofer Galerie

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Textil als Kunst

Fritz Riedl – Ein Pionier österreichischer Textilkunst?

Monika Leisch-Kiesl

 

War Fritz Riedl Pionier? Oder nicht vielmehr ein Wegweiser?

Ein Pionier allemal. Gehörte er, geboren 1923, doch zu jener Generation österreichischer Künstler:innen, die nach 1945 die Möglichkeiten der Kunst völlig neu für sich entdeckten. Eine Ausstellung französischer Gobelins nach Entwürfen zeitgenössischer Künstler im Wiener Kunstgewerbemuseum (dem heutigen MAK) im Jahr 1949 wird immer wieder als Schlüsselerlebnis für den an der Akademie der bildenden Künste in der Meisterschule für Malerei ausgebildeten Künstler hervorgehoben. Dass sich die Widerspenstigkeit der Webtechnik gut mit dem Formenvokabular seines Lehrers Albert Paris Gütersloh verband, liegt auf der Hand. Nachdem er sich, zusammen mit Johanna Schidlo, die Grundlagen des Gobelinwebens selbst erworben hatte, brachte ihn 1951 ein Stipendium nach Paris, dem damaligen Mekka der Avantgarde. Gleich seinen Vorbildern fertigt Fritz Riedl zunächst Teppiche nach Entwürfen internationaler Maler, entscheidet sich jedoch rasch dazu, eigene Formvorstellungen im Medium des Gobelins auszuführen. Und das ist neu! Kennzeichnend für diese frühe Phase autonomer Wandteppiche sind geometrische Formen und kristalline Strukturen. Großer Kristall aus dem Jahr 1956 – eine Arbeit, die auch in der Ausstellung zu sehen ist – ist in seiner kraftvollen und kontrastreichen Farbigkeit und der Spannung zwischen der Tiefenräumlichkeit des Kristalls und der Zweidimensionalität der gewebten Fläche ein nicht nur charakteristischer, sondern auch herausragender Exponent.

Doch nicht nur das. Die Entdeckung der amerikanischen und europäischen Kunst nach dem 2. Weltkrieg waren der Abstrakte Expressionismus, das Action Painting bzw. das Informel, wie dieses neue Bildverständnis in Frankreich bezeichnet wurde. Gleich anderen Pionieren der österreichischen Nachkriegskunst, wie Arnulf Rainer oder Maria Lassnig, erkannte Fritz Riedl dessen Potential, bloß dass er die freie Gestik in die Struktur des textilen Gewebes zu transferieren suchte. Vegetabile und flammenartige Formationen prägen von nun an die Formensprache des Künstlers. Ist die Technik des Gobelins fest in Kette und Schuss eingespannt, so drängt die Form nach Bewegung. Und ist das Weben ein wesentlich horizontaler, d.h. reihenartig angelegter Vorgang, so dehnen sich Kleine Komposition, 1984, Roter Baum, 1998, oder Tres Flechas, 1999 (um nur wenige Titel herauszugreifen) in die Vertikale aus – selbst im Querformat. Dass der Künstler dabei bald nicht mehr nach Schablone webte, sondern die formalen Gebilde auf Basis von Skizzen und Entwürfen weitgehend dem textilen Herstellungsprozess überließ, hat Zeitgenoss:innen wie Schüler:innen zunächst überrascht.

Ein Pionier allemal. Aber auch ein Impulsgeber und Wegbereiter. Fritz Riedl war rasch national und international präsent – hervorgehoben seien die Einladung zur Biennale Venedig bereits 1954 sowie die Teilnahme an der von Au Arnold Bode zusammen mit Werner Haftmann kuratierten documenta II –, erhielt öffentliche Aufträge – genannt sei eine Tapisserie für das Kongreßhaus Wien (1961) sowie zwei Bildteppiche für die Pfarrkirche Hl. Geist in Linz-Dornach (1973) – und eine Reihe von Preisen, von denen ihn die Verleihung des Grand Prix für angewandte Kunst 1962 an der Biennale São Paolo vielleicht am meisten gefreut hat.[1] Abgesehen von dieser früh einsetzenden und jedenfalls bis in die 1980/90er Jahre anhaltenden Wertschätzung und intensiven Präsenz, wovon auch die 1981 von Fritz Riedl initiierten Ausstellungen Textilkunst Linz 81, mit einem Schwerpunkt auf österreichische Tapisserien, sowie Textilkunst 81, mit internationaler Ausrichtung, ein deutliches Zeugnis ablegen[2], spielte Fritz Riedl aber auch in anderer Hinsicht eine wegweisende Rolle: Er war ein Ferment.

Gemeinhin würde man vielleicht sagen, er war Lehrer. Und das ist so auch richtig. 1976 wurde er an die Hochschule für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz berufen und revolutionierte dort mit der Gründung eines Instituts für künstlerische Textilgestaltung (1978) das bis dahin im Wesentlichen auf Handwerkliches ausgerichtete Fach. Namhafte Textilkünstler:innen, wie Marga Persson oder Monika Pichler, sind aus dieser Schule hervorgegangen bzw. wurden an dieses Institut berufen. Er war vielleicht nicht der beste Professor im Sinne von Pünktlichkeit und eines klar strukturierten Lehrplans. Aber er war die Seele dieser Meisterklasse und er hatte eine Vision. Und das möglicherweise bereits seit seinem Engagement im Wiener Art Club in den 1950er Jahren. Weben ist eine einsame Tätigkeit, aber Fritz Riedl betrieb es nicht in Isolation, sondern stand in vielfältigem Austausch.

Christina Radner zeichnet in ihrer Diplomarbeit zu Louise Autzinger, einer ebenfalls 1923 geborenen, aber wenig bekannten Wegbereiterin der Textilkunst in Österreich nach 1945, ein lebendiges Bild der Entwicklung textilen Arbeitens hin zu Textilkunst.[3] Demnach hatte Fritz Riedl eine Vorreiterrolle, war aber nicht der einzige „Selbstweber“ – terminus technicus für das Anfertigen von Gobelins nach eigenen Entwürfen –, sondern Teil einer Bewegung, die fast ausschließlich von Künstlerinnen getragen wurde; eine der bekannteren Edda Seidl-Reiter, die entscheidende Schritte vom Teppich an der Wand hin zum Fadengebilde im Raum vollzog. (Möglicherweise war er, zumindest zum damaligen Zeitpunkt, der einzige Mann.)

Ein Pionier, ein Impulsgeber, ein Ferment.

Der österreichischen Textilkunst? Oder nicht vielmehr der internationalen?

Die wesentlich auch internationale Rezeption von Riedls textiler Kunst, und dies in einem rasanten Tempo, wurde bereits im Zusammenhang von Ausstellungen und Auftragsarbeiten erwähnt. Ebenso sein Engagement der Vernetzung – Stichwort: Textilkunst 81. Doch er war auch ein Künstler, der schon in den 1970er Jahren auf zwei Kontinenten nicht nur gelebt, sondern auch gewirkt hat. Zunächst eine Zufallsbekanntschaft im Zuge einer Reise (1967), ließ er sich 1972 in Guadalajar, Mexiko nieder, gründete die Werkstatt Gobelinos Mexicanos und unterrichtete an der dortigen Universität. Und dies, so weit es sich von außen beurteilen lässt, ohne koloniale Allüren. Damit hat er das damals auf die USA und Westeuropa ausgerichtete Verständnis von „Internationalität“ entschieden auf eine weltweite Perspektive hin geweitet. Die Tatsache, dass diese Werkstatt nach seinem Weggang von Jaime Ashida weitergeführt wurde, zeugt vom Renommee und der Vitalität dieser Manufaktur.

Eine Ausstellung in Linz 20 Jahre nach der großen Personale im Belvedere Wien

Der Anlass der Ausstellung von 2003 war ein runder Geburtstag: der achtzigste. Damals lag die Emeritierung (1991) gerade einmal rund zehn Jahre zurück und war der Künstler in Form von Ausstellungen und Würdigungen kontinuierlich und vielerorts präsent. Doch dann ist es etwas still um ihn geworden. Der letzte wikipedia-Eintrag verweist (abgesehen von der Ergänzung des Todesdatums) auf die Ausstellung von 2003/04. Wohl gibt es eine aktuell geführte fb-Seite mit über 2.300 Followern; allerdings lediglich 5 bis 10, mitunter 20 bis 30 Likes pro Beitrag.[4]

Der aktuelle Anlass ist der 100. Geburtstag des Künstlers. Geht es dabei um mehr als um Nostalgie – viele seiner Weggefährt:innen leben noch – oder Pflichtbewusstseins gegenüber einer Größe der Linzer Kunstszene und der Kunstgeschichte Österreichs? Jedoch ist die Initiatorin keine öffentliche Institution, sondern eine private Galerie.

Zugegeben, auch Geschichtsbewusstsein ist keine schlechte Motivation. Und das Engagement der Freien Szene geradezu ein Markenzeichen des Linzer Kunst- und Kulturbetriebs. Aber ich denke, es sind jedenfalls drei weitere Gründe zu nennen, warum diese Ausstellung jetzt ihren richtigen Zeitpunkt hat!

Ein Blick in die aktuelle Kunstszene zeigt nicht nur ein wieder erwachtes Interesse am Textil als künstlerischem Medium, sondern auch explizit am Bildteppich. Zwei Positionen der von Cecilia Alemani im Rahmen der Venedig Biennale 2022 kuratierten Ausstellung Milk of Dreams stehen mir noch deutlich vor Augen: die großformatigen, farbenkräftigen Gewebe der 1968 in Port-au-Prince geborenen Künstlerin Myrlande Constant sowie die zunächst still anmutenden Tapisserien des 1982 in Cape Town geborenen Künstlers Igshaan Adams. Sehr reizvoll wäre es, derartige, je spezifischen Kontexten verpflichtete Werke mit den Gobelins von Fritz Riedl zu vergleichen und in einen Dialog zu bringen. Galerist Stefan Brunnhofer beobachtet zudem eine wachsende Präsenz von Wandteppichen auf jüngsten Messen und Auktionen und verweist hierfür exemplarisch auf das Auktionshaus Rago.[5]

Sodann gibt es Erben. In deren Nachlass befinden sich nicht nur bislang von keinem Werkverzeichnis erfasste Tapisserien (das sorgfältig geführte Werkverzeichnis von 2003 endet selbstredend mit diesem Jahr), sondern auch Kisten und Laden gefüllt mit Skizzen und Entwürfen, aber auch als eigenständig anzusehenden Tuschezeichnungen, Gouachen und Druckgrafiken. Auch davon gibt die aktuelle Ausstellung einen Einblick! Dabei sollte man sich in Erinnerung rufen, dass Fritz Riedl nach Abschluss seines Studiums und nach seinem Parisaufenthalt, d.h. an einem entscheidenden Wendpunkt seiner künstlerischen Laufbahn, zwei Semester lang an der Hochschule für Angewandte Kunst Wien Lithografie studiert hat.

Dies bringt mich zu meinem dritten Punkt. Die bisherige Forschung konzentriert sich auf den Bildteppich, das – ganz in der Tradition der Nachkriegsmoderne stehende – abstrakte (i.S. von nicht figurale) Formenvokabular und die Haltung des „Selbstwebers“. Weitgehend ausgeklammert ist die Frage der Räumlichkeit, einerseits die Dimension der Tiefenräumlichkeit, vor allem aber der Rolle des textilen Gewebes im Raum – und dies trotz einer Reihe von Kunst und Bau-Aufträgen und Ankäufen für (halb)öffentliche Räume. Und, so weit ich sehe, vollkommen ausgeklammert sind der Stellenwert der Zeichnungen und die Rolle der Intermedialität im Schaffen Fritz Riedls. Diesen Fragen nachzugehen, eröffnet nicht nur neue Perspektiven auf das Oeuvre Fritz Riedls, sondern könnte es auch künstlerisch und kunstwissenschaftlich neu kontextualisieren.

 

 Monika Leisch-Kiesl, Kunstwissenschaftlerin und Philosophin, Professorin für Kunstwissenschaft und Ästhetik an der KU Privatuniversität Linz. Leisch-Kiesl hat zudem Ende der 1970er/Anfang der 1980er Jahre vier Semester lang Textiles Gestalten in der Meisterklasse Fritz Riedl studiert. Jüngste Publikation: Hg. gem. m. Franziska Heiß, Was sagt die Kunst? Gegenwartskunst und Wissenschaft im Dialog (Linzer Beiträge zur Kunstwissenschaft und Philosophie 13), Bielefeld: transcript Verlag, 2022.

 

 



[1] Einen detaillierten Überblick gibt die Biografie in dem von Franz Smola, anlässlich der 2003 bis 2004 vom Belvedere ausgehenden Wanderausstellung, herausgegebenen Katalog: Fritz Riedl. Bildteppiche, mit Werkverzeichnis, Wien: Böhlau, 2003.

[2] Textilkunst Linz 81. Österreichische Tapisserie 1921–1980. Schlossmuseum Linz, Juni–September 1981 und Textilkunst 81. Internationale Ausstellung zeitgenössischer Textilkunst, an mehreren Orten im Stadtraum Linz, im Rahmen des Brucknerfestes September 1981 und Wien, Künstlerhaus, Oktober–November 1981; beide Ausstellungen mit Katalog.

[3] Radner, Christina, Louise Autzinger und ihr Beitrag zur Textilkunst in Österreich nach 1945, Diplomarbeit Uni Wien, 2009.




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Ausstellungsansicht, 25 Jahre Brunnhofer Galerie
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