TRIALOG


Treffen sich eine Malerin und zwei Maler ...

FRANZISKA MADERTHANER - MAX BÖHME - RONALD KODRITSCH

ERÖFFNUNG // 21. OKT, 18.00 - 21.00 UHR
DAUER BIS 24. NOV. 2018

 

Kunstraum Nestroyhof 2017, Video anlässlich der Ausstellung „Treffen sich eine Malerin und zwei Maler ...“

 

Pidging Paintings, Andreas Spiegl

 

In der Geschichte der Malerei stellt die gemeinsame Arbeit verschiedener Hände an einem Bild keine Ausnahme dar. Ein Hinweis auf die verschiedenen Werkstätten…von Rembrandt bis Rubens…sollte genügen, um den ästhetischen Horizont dieser Zusammenarbeit darin zu vermuten, dass ein Bild den Eindruck vermitteln sollte, letztlich individuelles Produkt einer einzigen und einzigartigen Hand zu sein – Ausdruck einer subjektiven Geste, die sich der Mitarbeit anderer bediente und das kollektive Moment entweder marginalisierte oder systematisch verschwieg. Was sich darin äußerte, war der Anspruch an die Malerei, den Eindruck einer identifizierbaren Individualität zu vermitteln und zugleich den Ausdruck für das Subjektive in seiner Befähigung zur Urheberschaft zu bezeugen: Die Eigenhändigkeit verknüpft die Rolle der Autorschaft mit der Autorität, die sich in der Signatur finalisiert, um das Werk urheberrechtlich als Produkt eines Individuums zu autorisieren und damit das Subjektive zu legitimieren. In diesem Sinne war die Geschichte der Malerei ein Stück weit mit einer Geschichte des Subjekts als Autorität verbunden: Malen wurde so zum Plädoyer für das Subjektive als Autorität für Vorstellungen vom Sozialen und zum Nachweis einer Gesellschaft als Konsequenz der Macht von Individualität.   

 

Ein Blick auf die Geschichte der Malerei zeigt auch, dass dieses Band zwischen Autorschaft und Autorität zugleich Züge des Autoritären vermitteln konnte. Autoritär erscheint der Anspruch an die Malerei, diese Signatur des Autorisierens in jedem Fall leisten zu müssen – selbst dann, wenn das subjektive Moment der Handschrift bewusst zurückgedrängt wird, um dann mit der Signatur auf der Rückseite wieder in Kraft gesetzt zu werden: autorisiert und subjektiviert wider das Kalkül des Visuellen auf der Vorderseite. War die Geschichte der Moderne mit einer Krise des Subjekts verbunden, mit einer Geschichte, die den Anspruch an das Individuelle ins Wanken und die Autorität des Subjektiven zu Fall gebracht hat, so war diese Herausforderung zugleich mit dem Widerspruch verbunden, der Verallgemeinerung des sichtbaren Anteils am Werk das Wort zu reden, um dann den subjektiven und individuellen Part im Urheberrecht und Verwertungsprozess zu lokalisieren. Das ästhetische Kalkül des Visuellen zielte aufs Allgemeine, um die Signatur des Individuellen unsichtbar im Anspruch auf Urheberschaft aufrecht zu erhalten – mithin den Anspruch des Subjekts auch dann geltend zu machen, wenn das Werk in seiner Anrufung des Universellen das Individuelle zurückweisen sollte.

Dieser Chiasmus ist für die Geschichte der Malerei seit der Moderne konstitutiv, weil sie sich im Regelfall sowohl mit dem Prinzip individueller Autorschaft als auch mit der Krise des Subjektbegriffs verbunden sah – individuell und autorisiert loszuwerden, was dem Akt des Malens als Echo eines musealen Subjektbegriffs innewohnte. Die Herausforderung bestand darin, auch das Eigenhändige und Subjektive als Ausdruck einer intersubjektiven Sprache und im Horizont eines Vokabulars, das sich heterogener Referenzen bediente, erscheinen zu lassen. In einem anderen Zusammenhang hat Derrida diese Praxis auf die Formel gebracht: »Ich habe nur eine Sprache, und das ist nicht meine«.[1] Übertragen auf die Malerei bedeutet dies, dass jeder noch so individuellen Geste und autorisierten Signatur immer schon ein Begriff von Malerei vorauseilt, der das Eigene oder Eigenhändige schon vorsieht und damit zugleich enteignet. Die Anrufung des Originären in der Urheberschaft vergisst oder negiert, dass der Autorschaft und dem Original schon eine Sprache vorauseilt, in die sie sich genauso einschreiben wie in den Kontext, in dem sie (als Kunst und Malerei) wahrgenommen werden wollen. Jede »Sprache« muss zuerst erlernt worden sein, man muss sie sich angeeignet haben als un-eigene Sprache. Selbst die so genannte Muttersprache begegnet dem Subjekt als Sprache der Anderen – als Fremdsprache, deren anfängliches Befremden man bloß vergessen hat: »Ich habe nur eine Sprache, und das ist nicht meine«. Der Anrufung des subjektiven Ausdrucks steckt der intersubjektive Rahmen in den Knochen, eine Grenze des Subjektiven, die sich weder zeichnen noch halten lässt. Die autorisierte Geste kommt nicht umhin, der Intersubjektivität der Sprache die Hand zu reichen. 

 

Max Böhme, Ronald Kodritsch und Franziska Maderthaner haben ihr Projekt, gemeinsam Bilder zu malen, gemeinsam Hand anzulegen und die verschiedenen Handschriften miteinander zu verbinden, auch damit begründet, der Situation allein im Atelier vor dem Bild zu stehen, eine Option zur Seite zu stellen, dem je eigenen Akt der Bildfindung und -entwicklung ein Experiment des Miteinanders gegenüberzustellen, wenn man so will: die Arbeit an einem nur eigenen Bild zu übergehen, um dem ineinander Übergehen der verschiedenen malerischen Sprachen nachzugehen. Das Ziel bestand darin, ihren Ansprüchen an die Malerei gerecht zu werden und zugleich die prekäre Rolle eines autorisierenden Subjektbegriffs zu reflektieren. Mit Blick auf die so entstandenen Bilder und Zeichnungen lassen sich in Kenntnis der verschiedenen malerischen Sprachen der Beteiligten tendenziell je spezifische Anteile an der Teilhabe identifizieren – Handschriften, die sich die Hände reichen, um eine hybride Sprache zu entwickeln, die sich aus heterogenen Sprachschätzen zusammenfindet. Analog zu dem aus Pidgin-Sprachen bekannten Phänomen, dass verschiedene Sprachelemente ineinander übergehen, um für die Kommunizierbarkeit eine neue Sprache herauszudestillieren, die sich aus der Mehrsprachigkeit entwickelt und diese in sich trägt, erscheint der Begriff von »Pidgin-Paintings« angemessen.

 

In ihrer immanenten Mehrsprachigkeit reichen die Pidgin-Paintings von Böhme, Kodritsch und Maderthaner über die Bildränder hinaus in politische und kulturpolitische Bereiche, in denen die Beziehungen zwischen eigenen und intersubjektiven Handlungsspielräumen neu ausgehandelt werden müssen – Hand in Hand gehen mit der Frage nach der Autorität von Kommunikationsbestrebungen, die sich nicht mehr an autorisierte Konventionen von Herkunfts- und Muttersprachenvorstellungen halten. Im Bann dreier Signaturen erhebt die Autorität heterogener und hybrider Urheberschaften die Stimme für ein Mit-Teilen[2] und für ein Teilhaben an einem Bild, so verschieden und aufgeteilt seine Partien sein mögen. Im Unterschied zu den alten Werkstätten, die sich der Autorität einer Signatur zu fügen hatten, betonen die drei Beteiligten die Mehrsprachigkeit ihrer Malereien, die sie ausloten für etwas, das man metaphorisch vielleicht als »Selbst-Kreolisierung« umschreiben könnte – sich dem Versuch zu stellen, in der eigenen Beredsamkeit und Ausdrucksfähigkeit schon die implizite Pidgin-Sprachlichkeit zu reflektieren, um eine Muttersprachlichkeit im Horizont einer Mehr-Sprachigkeit auszubrüten.


Der Text erschien anlässlich der Ausstellung "Treffen sich eine Malerin und zwei Maler ..." von Andreas Spiegl
http://kunstraum-nestroyhof.at/en/news/pidgin-paintings-47/